Unterbehandlung und Unterversorgung bei krebsbedingter Fatigue adé: Ein Problem der Vergangenheit

Paula war meine Patientin in den 90ern und hatte nach ihrer Brustkrebstherapie mit starker Erschöpfung zu kämpfen. Damals gab es für krebsbedingte Fatigue noch keine Therapiemöglichkeiten. Ihre Geschichte zeigt, dass sowohl Patient:innen als auch Ärzt:innen krebsbedingter Fatigue mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Denn inzwischen muss sich niemand mehr mit den Symptomen abfinden.

In den 90er Jahren leitete ich die Abteilung für Medizinische Psychologie in einem großen Universitätskrankenhaus in den Niederlanden. Mein Spezialgebiet war die Onkologie. Als Psychoonkologe betreute ich sowohl stationäre als auch ambulante Krebspatienten. Eines Tages wurde Paula aufgrund von Angstzuständen von ihrem Onkologen zu mir überwiesen.

Paula war eine liebenswürdige  51-jährige Frau, die erfolgreich gegen Brustkrebs behandelt worden war, aber große Angst hatte, dass die Krankheit zurückkehren könnte. Diese Angst konnte sie nicht kontrollieren.

Die unausgesprochene Last der Erschöpfung

Während unserer ersten Gespräche erzählte sie ausführlich von ihren Erfahrungen: Wie die Diagnose sie völlig unerwartet getroffen hatte, wie traumatisch die Behandlungen gewesen waren und insbesondere die einseitige Amputation. Paula hatte immer gesund gelebt, war nie krank gewesen und es gab keine Krebserkrankungen in ihrer Familie. Ihre größte Angst war es, mit starken Schmerzen zu sterben und Abschied von ihren beiden Töchtern (21 und 23 Jahre alt) und ihrem Mann (54 Jahre alt) nehmen zu müssen. Nur in einem Nebensatz erwähnte sie, dass ihre Familie ihre Aufgaben im Haushalt übernommen hatte, weil sie zu erschöpft war.

Paula war sehr erschöpft, sprach aber lieber nicht darüber, um anderen nicht zur Last zu fallen. Andere taten schließlich schon so viel für sie. Sie vermied soziale Kontakte und hatte ihre Arbeit als Geschichtslehrerin an einer weiterführenden Schule vorübergehend aufgegeben. Körperliche Aktivitäten reduzierte sie auf ein Minimum, aus Angst, ihre Erschöpfung könnte sich verschlimmern. Zusätzlich zur Angst traten bei ihr auch depressive Verstimmungen auf, was häufig gemeinsam vorkommt. Mittels kognitiver Verhaltenstherapie konnte ich ihr helfen, ihre Ängste zu bewältigen. Die Intensität und Häufigkeit ihrer Angstzustände nahmen ab. 

Nach zwei Monaten verabschiedeten wir uns mit einem herzlichen Händedruck. Paula war weniger ängstlich, aber immer noch sehr müde.

Krebsbedingte Fatigue ist kein Fremdwort mehr

Ich denke häufiger an Paula, denn ihr eigentlich größtes Problem war die schwere Erschöpfung. Diese wurde weder von ihr noch von mir als solche benannt. Sie dachte, es gehöre einfach zu den Krebsbehandlungen dazu, und ich hatte damals aus der Sicht der Psychoonkologie keine adäquaten Behandlungsmethoden zur Verfügung. Deshalb fragte ich auch nicht weiter danach, und wir sprachen kaum darüber.

Heute könnte ich Paula viel besser helfen, nicht nur in Bezug auf ihre Angst, sondern auch in Bezug auf ihre Erschöpfung. Wir wissen jetzt viel mehr darüber, warum Erschöpfung auftritt und wie sie oft Teil eines Netzwerks von Problemen ist. Vor allem wissen wir, was wir dagegen tun können.

Heute empfehlen wir eine Kombination aus Psychoedukation, psychologischen Interventionen, Verbesserung der physischen Kraft und Kondition, Stressreduktion und der Suche nach einem Gleichgewicht unter Berücksichtigung der (neuen) eigenen Grenzen. Auf dieser Basis haben wir von Tired of Cancer gemeinsam mit Krebsexpert:innen und Betroffenen die digitale Therapie Untire entwickelt.

Ich würde ihr jetzt auf jeden Fall empfehlen, Untire zu verwenden, ein sehr zugängliches, umfassendes und nachweislich wirksames digitales therapeutisches Programm, das man jederzeit bei sich hat. Ein persönlicher Coach in der Tasche. Es hätte Paulas Lebensqualität enorm verbessert. Untire entlastet nicht nur erschöpfte Krebspatient:innen, sondern auch alle Pflegekräfte in der Onkologie.

Dr. Bram Kuiper ist seit 1987 als klinischer Psychologe in verschiedenen Bereichen der Onkologie tätig. Unter anderem war er 17 Jahre lang Geschäftsführer am Helen-Dowling-Instituut (HDI), der ältesten und größten psychoonkologischen Einrichtung der Niederlande. 

Die Untire-App bietet ein umfassendes, nachweislich wirksames digitales Therapieprogramm bei krebsbedingter Fatigue, das rund um die Uhr zur Verfügung steht. Bram möchtet weltweit möglichst vielen Patient:innen helfen, die an tumorbedingter Fatigue leiden. Er ist Mitgründer und CEO von Tired of Cancer, dem Unternehmen, das hinter der Untire-App steht.