„Mit der Untire-App kann jeder Patient etwas gegen seine Müdigkeit tun“

Seit dem ersten Tag sind Dr. Bram Kuiper und Door Vonk bedingungslos von der Untire-App als digitale Behandlung gegen tumorbedingte Fatigue überzeugt. Dann kam der Moment, in dem sie die App von Nutzern auf der ganzen Welt testen ließen. „Da waren wir schon ziemlich nervös“, berichtet Door. „Die Leute kennen uns nicht und sollen plötzlich ihre Meinung zur Untire App abgeben. Zum Glück waren sie sofort begeistert. Die Arbeit hat sich gelohnt, wenn die Leute sagen: „Genau darauf habe ich gewartet.“

Die Reise zur Untire-App dauerte länger als erwartet. Unterwegs gab es einige scharfe Kurven, Schluchten und andere Hürden. Aber der Weg ebnet sich. „Das, was wir bis jetzt erreicht haben, hätten wir uns vor 10 Jahren nicht träumen lassen.“

Tired of Cancer ist ein florierendes Unternehmen mit Mitarbeitern, von denen jeder individuelles Fachwissen im digitalen Gesundheitswesen mitbringt. Patienten und ehemalige Patienten stehen bei Tired of Cancer im Mittelpunkt. Derzeit nutzen weltweit Tausende von Menschen die Untire-App. Und es werden immer mehr. Tumorbedingte Fatigue ist bei (ehemaligen) Krebspatienten ein häufig vorkommendes Problem. Sie wirkt sich enorm auf die Lebensqualität aus.

Zwei Drittel von Deutschlands Außengrenze

Dr. Bram Kuiper veranschaulicht die Zahlen: Jedes Jahr wird in Deutschland bei 500.000 Patienten Krebs diagnostiziert. 630.000 Menschen sind zur Zeit in ihrem ersten Jahr der Krebsbehandlung und 2,2 Millionen Menschen sind ehemalige Krebspatienten oder Betroffene, die mit der Krankheit leben. „80 % von ihnen klagt im ersten Jahr der Behandlung über Müdigkeit. Ein Drittel der Patienten lebt langfristig mit Müdigkeitsbeschwerden.“

Wenn alle diese Patienten – 2,3 Millionen Betroffene allein in Deutschland – eine Menschenkette bilden, würde sie Zwei Drittel von Deutschlands Außengrenzen abdecken. „Der tumorbedingten Fatigue wird leider viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Viele Ärzte gehen davon aus, dass Müdigkeit im ersten Jahr der Krankheit schlichtweg dazu gehört und dass daran wenig zu ändern ist. Patienten denken oftmals das Gleiche.“

Wie sehr sich Krebs auf die Lebensqualität auswirkt, bekam er mit, als sein Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb. Auch hat er als klinischer Psychologe am Uniklinikum Amsterdam (VUmc) viele Krebspatienten begleitet. „Krebs nagt an der eigenen Identität. Er berührt das Wesen der eigenen Existenz.“ Wenn man dann auch noch mit starker Müdigkeit zu kämpfen hat, kann das Leben leicht entgleisen. Mit unserem Wissen und unserer Erfahrung wollten wir dem etwas entgegensetzen.

Mit seinen 30 Jahren Erfahrung als Psychoonkologe kam Bram auf die Idee, eine zugängliche Lösung zu entwickeln, die den Patienten den Umgang mit ihrer Müdigkeit erleichtern sollte. Eine App war naheliegend.

Dr. Bram Kuiper

Dr. Bram Kuiper ist Psychoonkologe, Wissenschaftsunternehmer und CEO von Tired of Cancer. Er arbeitete u. a. 17 Jahre als Geschäftsführer am Helen-Dowling-Instituut. Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Psychoonkologie und dem Verfassen von Behandlungsprotokollen widmet er seine Karriere nun der Untire-App. Er möchte weltweit möglichst vielen Patienten helfen, die an tumorbedingter Fatigue leiden.

Der Bau eines Hauses

Am Anfang wurden wir direkt von einem führenden Hämatologen und einer internationalen Patientenvereinigung unterstützt. Sie glaubten an unsere Initiative.

Das war 2012. Die Entwicklung von Gesundheits-Apps steckte damals noch in den Kinderschuhen. „Wir waren Pioniere auf diesem Gebiet und haben viel investiert. Es dauerte, bis wir die richtigen Partner fanden, die uns bei der Gestaltung und Entwicklung der App behilflich sein konnten“, ergänzt Bram.

Bram und Door vergleichen die Entwicklung einer App mit dem Bau eines Hauses. „Man kommt dahinter, dass eine gute Idee allein nicht ausreicht. Bevor man loslegen kann, benötigt man auch einen starken Entwurf und ein solides Fundament. Und dafür sind Fachleute, Architekten, Bauingenieure und Bauunternehmer erforderlich. Man muss eben nicht nur über den Inhalt, sondern auch über die „Verpackung“ nachdenken: Wie soll das Haus von außen und innen aussehen? Nach und nach haben wir uns mit der Welt der Apps vertraut gemacht und gelernt, wie alles genau funktioniert. Die Untire-App gibt es jetzt und uns wird mit jedem Tag klarer, wie gut wir in die Welt des digitalen Gesundheitswesens passen.“

Seit dem Sommer 2017 konnten sich Door und Bram aufgrund des EU-Zuschusses aus dem Horizon 2020-Programm gänzlich der Untire-App widmen. „Das hat alles ziemlich beschleunigt“, berichtet Bram. „Wir konnten uns wirklich die ganze Woche 24 Stunden am Tag mit der Untire-App beschäftigen und professionelle Hilfe einschalten.“

Door Vonk

Door Vonk ist soziale Unternehmerin und Mitbegründerin von Tired of Cancer. Dort hat sie die Position des CCO’s inne. Door begann ihre Karriere bei einer Bank. Über 20 Jahre lang sammelte sie auch Erfahrung in den Bereichen Fundraising sowie Finanz- und Kommunikationsmanagement von Sozialunternehmen – u. a. beim Ronald McDonald Kinderfonds und am Helen-Dowling-Instituut. Nach 9 Jahren verließ sie ihr eigenes Beratungsbüro und widmete sich gänzlich Tired of Cancer.

„Wir beziehen Patienten kontinuierlich in unsere Aktivitäten mit ein.“

Seit der Einführung im Jahr 2018 wird die Untire-App weltweit von Tausenden von Menschen genutzt. Das Programm kombiniert Psychologie mit Physiotherapie und Entspannungsübungen. Ihm liegen bewährte Psychointerventionen und Bewegungsmethoden zugrunde.

Unabhängige Forschungen am Universitätsklinikums Groningen (UMCG) belegen, dass das digitale Untire-Programm ausgesprochen wirksam ist.

Derzeit wird die Version 4.0 auf den Markt gebracht. Bram: „Der nächste große Schritt ist die Personalisierung der App, damit jeder Nutzer ein auf ihn zugeschnittenes Programm bekommt. Ähnlich wie in der therapeutischen Praxis. Zunächst werden viele Fragen gestellt – über Müdigkeit und andere auftretende Probleme (z. B. wie es mit der körperlichen Bewegung aussieht). Danach bekommst Du passende persönliche Empfehlungen, die Dich durchs Programm begleiten.“

„Inhaltlich gehen wir von den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und unserer eigenen Nutzerbefragung aus. Grundsätzlich gilt: Nicht nur guter Inhalt ist wichtig, sondern auch eine ansprechende Präsentation. Welche Elemente sorgen dafür, dass Patienten die App zugänglich und angenehm finden und sie entsprechend oft nutzen?“

Auch in der neuen Version der App, die Ende 2022 erscheint, steht der Nutzer im Mittelpunkt. Denn nur dann können wir die beste App entwickeln.