„Darauf achten, dass die Tage möglichst positiv verlaufen“
„Ich war Krankenschwester in der pädiatrischen Onkologie und hatte oft mit müden Patienten zu tun. Aber erst jetzt weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sich das anfühlt. Manchmal bin ich so müde, dass ich völlig erschlagen bin“, sagt Marloes (55), die sich im vergangenen Jahr einer schweren Chemotherapie unterzogen hat.
Die seltsame Krankengeschichte von Marloes: Sie arbeitete mit vollem Einsatz als Krankenschwester in der Onkologie. Eines Tages bemerkte sie, dass sich ihre Beine „anders“ bewegten. „Ich merkte, wie meine Kraft nachließ. Es begann an den Knöcheln und zog von dort aus in die Oberschenkel.“
Eine Untersuchung nach der anderen blieb ergebnislos. Ein Neurologe an der Universitätsklinik, wo sie selbst auch arbeitete, diagnostizierte schließlich LES. „Das ist eine unheilbare Muskelkrankheit. Aber man kann damit durchaus alt werden.“
Krankheitsbedingt hat Marloes Schwierigkeiten beim Gehen und eingeschränkte Energie. „Tumorbedingte Fatigue sieht jedoch ganz anders aus.“
LES (Lambert-Eaton-Syndrom)
Der Neurologe warnte Marloes. Die Hälfte aller LES-Patienten entwickelt in den ersten Jahren nach der Diagnose Lungenkrebs. Auf seinen Rat hin ließ sie einen CT-Scan durchführen. „Während der Arbeitszeit habe ich das Ergebnis abgeholt, ahnungslos … ich hatte überhaupt keine Beschwerden.“
Es folgte ein ernstes Gespräch mit dem Lungenspezialisten. „Er sagte mir, in meiner Lunge gäbe es Stellen, die dort nicht hingehörten. Und er sagte, wenn es Krebs sei, dann sei er unheilbar.“
Schlussendlich war es kein Lungenkrebs, sondern Metastasen aus einem Myom (gutartiges Fibrom) in ihrer Gebärmutter. „Meine Gebärmutter und Eierstöcke waren vier Jahre zuvor entfernt worden. Trotzdem war das der Ursprung der Metastasen. Durch die Medikamente wurden die Metastasen kleiner. Und das ist zum Glück so geblieben.“
Einige Jahre später stand der Verdacht auf Lungenkrebs erneut im Raum. „Ich hatte einen Knoten am Hals. Er wurde chirurgisch entfernt. Und er war bösartig – eine Lungenkrebsmetastase. Das Problem war jedoch, dass der Lungenkrebs nicht gefunden werden konnte. Vielleicht hat mein Körper selbst mit ihm abgerechnet?“
„Erschöpfung gehörte bereits zu meinem Leben und ich dachte: alles halb so schlimm“
Die Ärzte gingen auf Nummer sicher und behandelten Marloes wie eine Lungenkrebspatientin. Nach der Operation bekam sie entsprechend vier schwere Chemos. Ihr Onkologe hatte sie auch darauf hingewiesen, dass sie müde werden könnte. „Durch meine Muskelkrankheit kannte ich mich mit Erschöpfung aus. Alles halb so schlimm, dachte ich.“
Inzwischen weiß sie, dass jeglicher Vergleich hinkt. „Die Erschöpfung von meiner Muskelkrankheit tritt nach Anstrengung auf. Die tumorbedingte Fatigue kann durch körperliche und geistige Anstrengung sowie durch viele andere Faktoren verursacht werden. Ab und zu bin ich völlig erschlagen. Wenn ich mich eine Stunde lang mit jemandem unterhalten habe, bin ich völlig erledigt.“
Eine Freundin machte sie auf die Untire-App aufmerksam. Und die hat ihr eine Menge gebracht. „Die Untire App bietet wirklich viel nützliche Informationen. Im Reha-Zentrum hatte ich bereits viel über meine Muskelkrankheit erfahren und entsprechend den Umgang mit der Erschöpfung geübt. Widerstand ist zwecklos. Man muss es akzeptieren.“
Meditationen und Kontakt zu anderen Betroffenen
Die Meditationen bringen ihr viel. „Ich habe mir heute zwei weitere Meditationen angehört. Morgens fühle ich mich am wohlsten. Ich mache alles in Etappen. In der Mittagszeit lege ich mich immer eine Weile hin. Die Meditationen sorgen für bewusste Entspannung. Dann kann ich wieder aufladen und den zweiten Teil des Tages bewältigen.
Marloes ist auch froh über die Facebook-Gruppe von Untire, in der Betroffene Geschichten und Erfahrungen austauschen. „Man kann es anderen kaum erklären, wie es ist, so erschöpft zu sein. Es ist sehr angenehm, Menschen zu treffen, denen man nicht alles bis ins kleinste Detail erklären muss. Ich bin bei weitem noch nicht wieder die, die ich vor der Krebsbehandlung war. Ich musste eine Menge aufgeben. Aber mir ist klar, dass ich mich von dem Wunsch verabschieden muss, jemals wieder ohne Erschöpfung zu leben.
In ihren Blogs marloesdewit.blog schreibt sie über viele Dinge, von denen sie hofft, dass sie anderen Krebspatienten helfen. Trotz allem, was sie durchgemacht hat, ist der Ton ihrer Blogsmeist locker-leicht. Marloes lacht. „Ich kann vieles nicht mehr. Aber ich bin absolut nicht unglücklich. Ich versuche, mir immer eine mögliche Lösung auszudenken. Es ist eben jetzt ein anderer Weg. Und ich achte darauf, dass die Tage möglichst positiv verlaufen.“